Selbstbild und Fremdbild: Warum Kommunikation oft scheitert – und wie sie gelingt

Kennen Sie das? Sie halten sich für einen offenen, verständnisvollen Menschen – doch Ihr Team empfindet Sie als unnahbar und distanziert. Oder Sie glauben, Ihre Präsentation sei glasklar – doch das Publikum versteht nur Bahnhof. Willkommen in der Welt von Selbstbild und Fremdbild!

Diese Diskrepanz ist nicht nur ein psychologisches Phänomen, sondern eine kommunikative Herausforderung. In Veränderungsprozessen kann sie über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Denn wenn Führungskräfte, Teams oder ganze Unternehmen nicht verstehen, wie sie auf andere wirken, entstehen Missverständnisse, Widerstände und Konflikte.

Doch was genau steckt dahinter? Und vor allem: Wie kann Kommunikation helfen, diese Lücke zu schließen?

Selbstbild vs. Fremdbild: Die unsichtbare Kluft

Das Selbstbild beschreibt, wie wir uns selbst wahrnehmen – unsere Fähigkeiten, Werte, unsere Wirkung auf andere. Das Fremdbild hingegen ist das Bild, das andere von uns haben.

Das Problem? Diese beiden Bilder stimmen oft nicht überein.

Der “Ich bin doch ganz anders!”-Effekt

Ein Klassiker: Führungskräfte halten sich für motivierend, während Mitarbeitende sie als fordernd und unnahbar empfinden. Oder das Unternehmen präsentiert sich als innovativ, während Kund:innen es als altmodisch erleben.

Wieso passiert das? Ein Grund ist der kommunikative Tunnelblick. Wir interpretieren unsere eigene Kommunikation immer im Kontext unserer Absichten – andere jedoch nur auf Basis der Wirkung.

Beispiel: Ein CEO betont in einer Rede, dass „alles unter Kontrolle ist“. Sein Ziel: Sicherheit vermitteln. Doch die Mitarbeitenden hören: „Wir ignorieren Probleme.“

Warum ist das relevant für Change-Prozesse?

In Veränderungsprozessen ist die Kluft zwischen Selbst- und Fremdbild besonders gefährlich. Denn Transformation braucht Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nur, wenn Kommunikation authentisch und nachvollziehbar ist.

Fallstrick 1: Die Wahrnehmungsblase

Viele Unternehmen glauben, dass ihre Veränderungskommunikation klar und überzeugend ist. Doch aus Sicht der Mitarbeitenden wirkt sie oft intransparent oder sogar manipulativ.

Beispiel: Ein Unternehmen stellt auf eine neue Software um. Die offizielle Botschaft: „Das macht uns agiler!“ Die Mitarbeitenden hören: „Wir müssen uns anpassen, egal ob es für uns sinnvoll ist oder nicht.“ Der Widerstand ist vorprogrammiert.

Fallstrick 2: Die Einbahnstraßen-Kommunikation

Führungskräfte neigen dazu, Veränderungen „zu verkünden“, anstatt sie im Dialog zu gestalten. Dadurch bleibt unklar, wie die Botschaft ankommt – und ob sie überhaupt verstanden wird.

Wie Kommunikation die Kluft schließen kann

1. Feedback einholen – aber richtig

Feedback ist der direkteste Weg, um Fremdbild und Selbstbild abzugleichen. Doch oft bleibt es an der Oberfläche.

Blinde Flecken erkennen: Nutzen Sie strukturierte Feedback-Formate, z. B. 360-Grad-Feedback. Dabei geben nicht nur Vorgesetzte, sondern auch Kolleg:innen und Mitarbeitende ihre Einschätzung ab.

Echtes Zuhören: Anonyme Umfragen oder externe Moderation helfen, ehrliches Feedback zu bekommen. Denn viele Mitarbeitende sagen nicht offen, was sie denken – aus Angst vor negativen Konsequenzen.

Feedback-Schleifen etablieren: Einmalige Rückmeldungen bringen wenig. Regelmäßige Reflexion hilft, die eigene Wirkung kontinuierlich zu justieren.

2. Die Perspektive wechseln

Um Missverständnisse zu vermeiden, hilft ein Perspektivwechsel. Fragen Sie sich regelmäßig:

Wie könnte meine Botschaft bei anderen ankommen?

Welche Vorannahmen haben meine Zuhörenden?

Gibt es eine Diskrepanz zwischen meiner Intention und der möglichen Wirkung?

Techniken wie „Empathy Mapping“ helfen, sich besser in verschiedene Zielgruppen hineinzuversetzen.

3. Klarheit statt Wunschdenken

Oft kommunizieren Unternehmen oder Führungskräfte, wie sie gerne wahrgenommen werden möchten – nicht, wie sie tatsächlich wahrgenommen werden. Das ist riskant.

Weniger Buzzwords, mehr Ehrlichkeit: „Wir setzen auf Agilität“ klingt gut – aber was bedeutet das konkret für die Mitarbeitenden?

Konsistenz zählt: Versprechen müssen sich in der Praxis widerspiegeln. Wer von Transparenz spricht, aber Informationen zurückhält, verliert Glaubwürdigkeit.

Den Elefanten im Raum benennen: Wenn Unsicherheiten oder Ängste im Raum stehen, sollten sie angesprochen werden. Sonst entstehen Gerüchte und Widerstände.

Fazit: Kommunikation als Brücke zwischen Selbst- und Fremdbild

Die Lücke zwischen Selbst- und Fremdbild lässt sich nie komplett schließen. Aber sie kann durch gezielte Kommunikation verkleinert werden. Entscheidend ist dabei ein Mix aus Feedback, Perspektivwechsel und Klarheit.

Gerade in Transformationsprozessen macht das den Unterschied. Denn Veränderung gelingt nur, wenn Menschen verstehen, warum sie notwendig ist – und sich mitgenommen fühlen.

Kurz gesagt: Wer die eigene Wirkung nicht kennt, kommuniziert ins Leere. Wer sie reflektiert, kann Veränderung gestalten.