Change Management hat sich verändert. In vielen Köpfen ist es noch verankert als Ultima Ratio bei schwerwiegenden Unternehmenskrisen. In modernen Unternehmen aber steht Change Management für eine Unternehmenskultur, die Veränderungen antizipiert und als festen Bestandteil des Geschäftsmodells betrachtet. Change Management ist damit nicht mehr finales Symptom einer Krise sondern Krisenprävention. Unternehmenserfolg wird mit zunehmender Digitalisierung immer stärker davon abhängen, Veränderungsbedarf rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Das wiederum kann nur gelingen, wenn Menschen bereit sind, den Change als Chance zu verstehen. Dies zu vermitteln, ist eine der wesentlichen Aufgaben moderner Unternehmensführung.
Unter der Überschrift “Digital Transformation Needs Change Management“ stellt Brian Solis, Digital-Analyst und Autor, fest: “Many of the challenges in digital transformation are no stranger to business evolution. They’re often human and require management and shepherding to guide change from the perspective of the organization and individuals.” Damit benennt er einen Aspekt, der zwar hinlänglich bekannt, aber genauso regelmäßig vernachlässigt wird: Veränderung ist – auch in der Digitalisierung – nicht allein ein technischer Prozess, sondern ebenso eine Frage der Einstellung. Die Einstellung der Mitarbeiter lässt sich aber nicht von oben herab verordnen. Sie muss von der richtigen Unternehmenskultur getragen werden. Diese zu verändern, ist in vielen Unternehmen die eigentliche Herausforderung.
Informieren – Involvieren – Implementieren
Die Basis jeder erfolgreichen Veränderung ist Kommunikation. Wesentlich für das Verständnis der Bedeutung von Kommunikation in Change-Prozessen ist die Einsicht, dass Veränderungen vor allem emotional bewältigt werden müssen. Veränderung bedeutet, etwas aufzugeben. Das Versprechen, dafür etwas Besseres zu bekommen, muss zu Beginn noch erfüllt werden. Deshalb ist es wichtig, zu informieren und zu diskutieren. Entsprechend sollten Veränderungsprozesse offen gestaltet sein, d.h. auch wenn das Ziel vom Management vorgegeben ist, darf über den Weg zum Ziel konstruktiv gestritten werden.
John P. Kotter hat in seinem Acht-Stufen-Modell ein erfolgreiches Vorgehen bei Veränderungsprozessen skizziert. Viel davon basiert auf Kommunikation und kann deshalb auch in Teilen als Leitfaden für eine erfolgreiche Change-Kommunikation dienen. Kotter fordert in seinem Modell, zunächst ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Wandels zu schaffen, um dann in einem späteren Schritt eine Vision für das Unternehmen zu kreieren. Beide Punkte sind wichtig, sollten aber kommunikativ von Anfang an eng miteinander verzahnt sein. Um die Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses zu belegen, müssen Markt und Wettbewerb analysiert werden. Aus dieser Analyse ergeben sich zwei Punkte: zum einen muss deutlich werden, warum es nicht so weitergehen kann wie bisher und zum anderen, welche positive Perspektive aus einer Veränderung erwächst. Zuletzt genannter Aspekt ist die Vision. Sie ist der zentrale Baustein der Veränderungskommunikation. Mit der Vision erhält der Change-Prozess eine Richtung und ein Ziel, auf das gemeinsam hingearbeitet wird. Die Dringlichkeit des Wandels ist inhärenter Bestandteil der Vision, wird aber durch die Vision in einen positiven Kontext gestellt.
Dialog als Führungsaufgabe im Change Management
Kommunikation in Veränderungsprozessen braucht Dialog. Das darf aber nicht beim Town-Hall-Meeting mit dem Vorstand enden. Diese eher symbolischen Kommunikationsformate sind wichtig, um die Geschlossenheit der Führung zu demonstrieren. Für die Mitarbeiter ist aber in der Regel das Gespräch mit den eigenen Vorgesetzten wesentlich. Führungskräften kommt deshalb in Veränderungsprozessen eine besondere Rolle zu, die sie in der Regel auch akzeptieren. Untersuchungen belegen, dass Führungskräfte wissen, welche Erwartungen im Rahmen von Veränderungen an sie gestellt werden. Sie zeigen aber auch, dass oft dort die größten Missverhältnisse zu finden sind. In der Studie „Superkräfte oder Superteam? Wie Führungskräfte ihre Welt wirklich verändern können“ der Unternehmensberatung Capgemini wird festgestellt: Die größten Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit im Rollenanspruch an Führungskräfte betreffen allesamt Punkte, die im klassischen Change Management immer wieder adressiert und eingefordert werden. Weit oben rangiert in dieser Liste das Kommunikationsverhalten von Führungskräften. D.h. Führungskräfte wissen, dass es ihre Aufgabe ist, in Change-Prozessen aktiv zu kommunizieren, aber sie werden dieser Anforderung häufig nicht ausreichend gerecht. Führungskräfte, die Veränderungen nicht aktiv kommunikativ begleiten, bilden jedoch kein Gegengewicht zu Widerständen in der Belegschaft und sind damit ein Grund, warum Veränderungsprozesse scheitern.
Für die Change-Kommunikation ergeben sich daraus klare Anforderungen: Die Rolle der Führungskräfte als Kommunikatoren muss geplant werden und Führungskräften muss Unterstützung geboten werden. Gerade dann, wenn für eine Veränderung insbesondere eine bessere Kommunikation in einem Unternehmen notwendig ist, bedarf es einer intensiven Unterstützung der Führungsebenen. Viele Unternehmenskulturen bevorzugen Fachwissen und entsprechend werden Führungspositionen besetzt. In Veränderungssituationen stoßen Vorgesetzte solcher Organisationen dann aber recht häufig schnell an ihre Grenzen. Deshalb bedeutet Kommunikation in Change-Prozessen insbesondere, Führungskräfte sprechfähig zu machen. Dazu müssen sie mit den richtigen Materialien versorgt werden und Unterstützung in der Gesprächsführung erhalten. Häufig ist eine externe Moderation hilfreich, weil das den Druck von den Schultern der Führungskraft nimmt und gleichzeitig eine neutrale Instanz schafft, die hilft, Diskussionen zu leiten.
Interagieren, um zu involvieren
Ziel jedes Change-Projekts ist die Veränderung von Verhalten, Werten und Normen von Individuen, die sich wiederum positiv auf Prozesse auswirken soll. Veränderungskommunikation muss beide Ebenen berücksichtigen und inhaltlich zusammenbringen. Sie muss erklären, welche Veränderungen im Arbeitsablauf angestrebt werden und warum, und sie muss erklären, welche kulturellen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Veränderung passieren kann. Erfolgreiches Change Management macht aus Betroffenen Beteiligte, die aktiv in Prozess und Problemlösung eingebunden sind. Deshalb zeichnet sich Veränderungskommunikation durch starken Dialogcharakter aus, da nur auf diese Weise ein Gefühl entwickelt werden kann, wo Widerstände sind. Gleichzeitig leben Veränderungsprozesse davon, dass Mitarbeiter sich einbringen. Und das geschieht am effektivsten durch Interaktion. Zum Beispiel in Workshops, in denen Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam erarbeiten, welche konkreten Schritte angegangene werden sollen, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Die Moderation solcher Workshops übernehmen Berater, die als externe Experten für Versachlichung sorgen und „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben.
Relativ schnell stellt sich bei einem solchen Prozessablauf heraus, wer konstruktiv fördernd bei der Sache ist und wer in erster Linie verhindern möchte. Für den weiteren Prozessverlauf unterstützend wirkt es, wenn die Förderer vom Unternehmen gefördert werden, d.h. wenn ihnen besondere Kompetenzen übertragen werden oder sie eine besondere Rolle in der Projektorganisation erhalten. Auf diese Weise werden klare Signale gesetzt, die insbesondere für die Unternehmenskultur wichtig sind. Je deutlicher wird, dass Veränderungsbereitschaft eine Eigenschaft ist, die Karrierefördernd wirkt, desto mehr Mitarbeiter werden sich in den Prozess einbringen. Und dies ist das entscheidende Element, um Veränderung nachhaltig zu implementieren: Erst wenn neue Verhaltensweisen von einem Teil der Belegschaft spürbar umgesetzt werden, ändert sich die Unternehmenskultur schrittweise. Es ist ein langwieriger Prozess, der Ausdauer erfordert, aber dazu führt, ein Verständnis zu schaffen, dass die Implementierung von neuen Prozessen auch in Zukunft unterstützt.